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"Die Duschszene in Alfred Hitchcocks „Psycho“ ist legendär: Das Opfer wird von einem Mörder unter der Dusche erstochen. Neben der Frage, wer das war, bleibt auch die, wer nun die Dusche sauber macht. Im wahren Leben wäre das ein Fall für Dirk Plähn aus Barsbüttel. Er ist einer der wenigen Tatort-Reiniger in Deutschland und wäscht von Berufs wegen die Spuren des Todes weg. Denn wenn ein Mensch aus dem Leben scheidet, haucht er nicht nur seine Seele aus."

Die Idee zu seinem ungewöhnlichen Beruf hatte der gelernte Energie-Anlagen-Elektroniker, als er den Film „Pulp Fiction“ sah. „Da gibt es einen Tatort-Reiniger, und bei der Szene habe ich gedacht, das müsste man beruflich machen. Meine damalige Freundin hat gesagt: Aber du kannst doch gar kein Blut sehen", erinnert sich Plähn. Wenn er mit seiner Arbeit fertig ist, kann man auch kein Blut mehr sehen.


Vor zwei Jahren ließ er sich bei der Feuerwehrakademie Hamburg zum staatlich geprüften Desinfektor ausbilden und machte sich als Tatort-Reiniger selbständig: „Ich habe früher schon in der U-Bahn immer darauf geachtet, möglichst keimfrei raus zu kommen. Wenn ich mit einem Tatort fertig bin, findet man keinerlei Spuren mehr.“ Das Blut, das er sieht, kann er ertragen, denn die Leichen sind dann schon weg. „Zu einem Mord bin ich erst zweimal gerufen worden, einmal sollte ich nach einer Schießerei das Treppenhaus sauber machen.“ Das zweite Mal war, nachdem der Bargteheider Entführer sich das Leben genommen hatte, „aber der Einsatz wurde dann abgeblasen.“

Viel häufiger hat Plähn es mit Selbstmorden und natürlichen Todesfällen zu tun, wenn einsame Menschen wochenlang in der Wohnung gelegen haben. „Nichts riecht schlimmer als Gevatter Tod“, sagt Plähn, der mit der Nase feststellen kann, wie lange der Tote in der Wohnung lag. „Die einsamen Tode nehmen zu, es gibt heute immer weniger soziale Kontakte oder gute Nachbarschaft", hat er erfahren. Da der Mensch zu mehr als 60 Prozent aus Wasser besteht, sind die Verschmutzungen großflächig und reichen tief, je nachdem, wie viel Zeit vergangen ist.

„Viele denken, dass ich da nur mal langwischen muss“, berichtet Plähn, „aber das reicht nicht. Oft muss der Estrich raus. Was ich mache, ist eine Grundsanierung.“ Dazu trägt er Vollschutzkleidung, Spezialhandschuhe und eine Gasmaske. Die Arbeit wird immer zu zweit gemacht. „Einmal ist es körperlich schwere Arbeit, zum anderen sicherer, weil der Kreislauf bei acht Stunden Atemschutz schlapp machen kann.“ Infektiöses Material wird über eine Spezialfirma entsorgt, der Rest kommt in den Container. „Es sieht fies aus, fühlt sich fies an und riecht fies, aber ich sehe es einfach als Job“, sagt Plähn.

Kein Job, mit dem er hausieren geht; auf die Frage: Und was machen Sie so? reagiert er eher zurückhaltend: „Wenn ich es dann erzähle, ist die Neugier groß.“ Seinen Beruf versieht er mit Distanz: „Oft kommen Nachbarn und wollen mir erzählen, was der Verstorbene für ein Mensch war, aber das will ich nicht hören. Ich drehe alle Fotos um und lese auch nicht den Namen an der Tür.“


Blut und Schmutz sind abstrakt, „im Grunde ist die Wohnungssanierung dasselbe, was ich auf dem Bau gemacht habe.“ Er legt die Richtlinien des Robert-Koch-Instituts zugrunde, und wenn ein Anruf kommt, fährt Plähn mit seinen Geräten im Transporter los. „Schön ist die Dankbarkeit der Angehörigen, wenn ich alles sauber gemacht habe.“ Vorher sichert er sich bei der Polizei ab, dass er keine Spuren entfernt, falls es ein Mord war.

Polizeizellen macht Dirk Plähn auch sauber oder Messie-Wohnungen, wo der Müll zuweilen schulterhoch steht. „Das sieht wirklich so aus, wie es im Fernsehen gezeigt wird. Manchmal ruft mich der Verursacher selber, damit ich alles reinige.“


Ahrensburg, Hamburg, Mölln oder Bremen – Dirk Plähns Radius ist groß. „In meinem Beruf gibt es nur eine Handvoll Leute“, sagt er, „in Amerika gibt es viel mehr Tatort-Reiniger. Aber da wird auch viel mehr gemordet.“

Als Albträume verfolgt haben ihn seine Einsätze noch nicht. „Ich sehe ja nichts Schlimmes, da trifft es die Feuerwehr viel schwerer. Die sehen alles, ich mache nur hinterher sauber.“ Was er für die Dusche bei „Psycho“ genommen hätte, verrät er nicht: „Meine Reinigungsmittel sind mein Berufsgeheimnis.“ Aber sauber würde die Dusche bestimmt."

 

Link zu den Lübecker Nachrichten: Beruf für starke Nerven: Tatortreiniger